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Fakultät Rehabilitationswissenschaften

Didaktisch-methodische Hinweise

1. Didaktische und methodische Hinweise bei Sehbeeinträchtigung zusammengestellt von A. Iggesen und F. Laemers

Grundsätzlich lässt sich festhalten: Ein handlungsorientierter und individualisierender Unterricht, der die Vielfalt aller Schülerinnen berücksichtigt und unterschiedliche Zugangsweisen sowie Lernwege ermöglicht, wird den Lernbedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Sehbeeinträchtigungen besonders gerecht. Das Lernen mit allen Sinnen und die Schaffung von Realbegegnungen, wo immer es möglich ist, kommen auch sehenden Schülerinnen zugute.
Bei der konkreten Vorbereitung von Themen und Unterrichtsreihen stehen Sonderpädagog*innen beratend und unterstützend zur Seite. Eine Sehbeeinträchtigung wirkt sich in unserer visuell geprägten Kultur unter funktionalen Aspekten auf den Alltag in den folgenden vier Lebensbereichen aus (vgl. Hyvärinen, 2001):
Kommunikation (in der Gruppe sowie von Person zu Person)
Orientierung und Bewegung
Aktivitäten des täglichen Lebens
Länger andauernde Aufgaben, die ein Sehen in der Nähe erfordern (Lesen, Schreiben, Spielen etc.)

Bei der Erstellung didaktischer und methodischer Hinweise haben wir uns an diesen vier Bereichen orientiert und dabei insbesondere die für den schulischen Kontext relevanten Faktoren berücksichtigt.
Es ist jedoch unerlässlich, bei jedem Schüler und jeder Schülerin individuell zu prüfen, welche dieser Hinweise zutreffen. Wichtig ist, dass die notwendige Unterstützung von Lehrkräften selbstverständlich und unaufdringlich erfolgt. Dies fördert die soziale Integration und verhindert, dass die betroffenen Schüler*innen durch ihre Sehbeeinträchtigung und den damit verbundenen Aufwand vor der Klasse hervorgehoben werden.
Eine Reduktion der vielfältigen Persönlichkeit eines Kindes oder Jugendlichen auf die Sehbeeinträchtigung ist weder förderlich für das gemeinsame Leben und Lernen noch für das persönliche Wohlbefinden.

Im Didaktikpool finden Sie einige Beispiele aus der integrativen Praxis - besonders hinweisen möchten wir auf das online verfügbare Buch von Emmy Csocsán und Elke Zollitsch "Miteinander lernen macht Spaß" - Hier finden Sie eine Fülle von Anregungen und Ideen, die Elke Zollitsch im Rahmen ihrer Tätigkeit als Lehrerin einer Grundschulklasse, in der zwei Mädchen mit Blindheit beschult wurden, dokumentiert hat.

 

1.1 Didaktische Hinweise bei Sehbehinderung

  • Auf gute Beleuchtung achten: Blendempfindliche Kinder und Jugendliche (z. B. bei Albinismus, Farbenblindheit, grauem Star) sollten vor direktem Sonnenlicht geschützt werden. Andere Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung benötigen eine gute Beleuchtung; oft sind zusätzliche Deckenstrahler über der Tafel sinnvoll. Falls der Lichtbedarf des Kindes oder Jugendlichen sehr hoch ist, muss eine zusätzliche Einzelplatzleuchte am Arbeitstisch angebracht werden.
  • Schüler*innen mit einer Sehbehinderung sollten in der Regel vorne sitzen: Bei Einsatz eines Bildschirmlesegeräts mit Tafelkamera oder eines Monokulars ist im Einzelfall auch ein Sitzplatz weiter hinten möglich und kommt dem Wunsch vieler Schüler*innen mit einer Sehbehinderung entgegen, einmal nicht direkt vor der Lehrkraft sitzen.
  • Um eine gesunde Körperhaltung zu fördern und Rückgratschäden vorzubeugen, sollte darauf geachtet werden, dass die Schüler*innen beim Lesen und Schreiben nicht zu tief hinabbeugen. Daher empfiehlt sich ein höhen- und neigungsverstellbarer Arbeitstisch, der die Lese- und Schreibvorlage näher an die Augen heranführt und an die körperlichen Gegebenheiten angepasst werden kann. Möglich ist auch ein Tischaufsatz, der auf einen normalen Schreibtisch gesetzt wird und mehr Flexibilität mit sich bring. Andere Alternativen zum Lesen bieten Leseständer bzw. Konzepthalter. 
  • Starke Kontraste ergeben sich durch eine saubere Tafel und die Verwendung von weißer oder gelber Kreide. Welcher Kontrast am besten gesehen werden kann, sollte mit dem Schüler oder der Schülerin individuell ausprobiert werden.
  • Schüler*innen sollte jederzeit die Möglichkeit gegeben werden, zur Tafel zu gehen, falls der Tafelanschrieb vom Sitzplatz aus nicht erkennbar ist.
  • Zum Lesen an der Tafel vom Platz aus kann ein Monokular oder ein Binokular benutzt werden. Wichtig ist, dass die Handhabung dieser Hilfsmittel eingeübt wird. Stöbern Sie dazu in unserem Didaktikpool. 
  • Ein elektronisches Bildschirmlesegerät mit Tafelkamera kann das Tafelbild auf einen Bildschirm am Platz des Schülers oder der Schülerin übertragen. Dies ermöglicht eine individuelle Anpassung (z. B. in Form von Größe und Kontrast) an die Sehanforderungen und verbessert den Zugang zum Unterrichtsmaterial.
  • Lehrkräfte sollten alle Tafelanschriebe und visuellen Informationen verbalisieren, damit diese auch akustisch aufgenommen werden können. Nonverbale Hinweise, wie z. B. Kopfnicken, sind für Schüler*innen mit Sehbehinderung oft schwer oder gar nicht wahrnehmbar und sollten daher durch verbale Kommunikation ergänzt werden.
  • Ein iPad bietet die Möglichkeit, dass ein Foto vom Tafelbild gemacht wird. Dieses Bild kann dann auf dem iPad vergrößert werden. So können Schüler*innen den Tafelanschrieb am eigenen Sitzplatz die Inhalte in Ruhe übertragen.
  • Das Tafelbild kann auch unmittelbar digital an ein Endgerät des Schülers oder der Schülerin übertragen werden. 
  • Auf Kontraststärke achten: Texte sollten möglichst schwarz auf weiß gestaltet werden, da dies einen starken Kontrast bietet. Graue Schriften auf grauem Umweltpapier sind schlecht sichtbar und sollten vermieden werden.
  • Vergrößerungskopien können bei kleiner Schrift helfen oder komplexen Abbildungen hilfreich sein. Dabei ist zu beachten, dass der Vergrößerungsfaktor von DIN A4 auf DIN A3 lediglich 1,4 beträgt (141%).
  • Lesehilfen: Lesepfeile, Leseschablonen oder umrandete Lesefenster erleichtern besonders Leseanfängern die Orientierung im Text. Das Abdecken nicht relevanter Abschnitte der Seite kann zusätzlich für Klarheit sorgen.
  • Selbst erstellte Arbeitsblätter am Computer ermöglichen u. a. die Anpassung von Schriftgröße, Zeilenabstand und Fettdruck. Texte können auf digitale Endgeräte wie Tablets oder iPads übertragen und bei Bedarf vorgelesen werden. Alternativ können Inhalte auf eine CD/ einen Stick gesprochen und vor dem Unterricht von den Schüler*innen angehört werden.
  • Umfangreiche Texte sollten Schüler*innen mit einer Sehbehinderung bereits einen Tag vor der Unterrichtseinheit ausgegeben werden. 
  • Grafiken müssen je nach Komplexitätsgrad und Größe und des Sehvermögens der Schülerin oder des Schülers adaptiert werden (Strukturierung, Konturierung, Vereinfachung, Farbe, Kontrast, Beschreibung).
  • Bei der Adaption von Grafiken sollten folgende Fragen gestellt werden:
    • Was soll die Grafik veranschaulichen? Kann dies entsprechend umgesetzt werden?
    • Gibt es evtl. eine andere einfachere Möglichkeit, dies zu verdeutlichen? (z. B. durch ein „Hörbild“, Beschreibungen, ein Modell, ein Artefakt oder eine reale Begegnung)
    • Ist die Information, die die Grafik beinhaltet auch schon im Text vorhanden – ist sie redundant?
    • Kann die Abbildung bei der Umsetzung vereinfacht werden, ohne die relevanten Informationen zu verlieren?
    • Ist es sinnvoller, die komplexe Information der Grafik in zwei oder drei Grafiken darzustellen?
    • Steht der Zeitaufwand für die Adaption in vertretbarem Verhältnis zur Nutzung?
  • Bilder mit weniger visueller Information bieten mehr Übersicht.
  • Schüler*innen, denen das Schreiben auf normalen Linien schwerfällt, profitieren von dickeren Linien. Teilweise kann es auch hilfreich sein, wenn die Linien in einer auffälligen Farbe wie Rot gestaltet sind.
  • Für Schreibanfänger*innen gibt es spezielle Hefte mit farbigen Schreibflächen anstelle von Linien. Diese erleichtern die Orientierung und lassen die Schrift deutlicher hervortreten.
  • Filzschreiber, Tintenroller oder Fineliner: Diese Schreibgeräte erzeugen deutlichere und kontrastreichere Linien als herkömmliche Bleistifte und sind daher besonders gut geeignet.
  • Bleistifte: Falls Bleistifte bevorzugt werden, sollten weiche Modelle (z. B. B oder 2B) verwendet werden, da sie eine dickere und dunklere Schrift ermöglichen.
  • Schreiblernstifte: Speziell für Anfänger*innen bieten Schreiblernstifte mit dicker Mine ebenfalls einen guten Kontrast.
  • Tintenroller (z. B. FriXion): Diese Stifte, die radierbar und in Schwarz erhältlich sind, gewährleisten sowohl hohe Kontraste als auch Flexibilität beim Schreiben.
  • Die Projektion sollte möglichst in Augenhöhe erfolgen, um eine gute Sichtbarkeit zu gewährleisten.
  • Falls erforderlich, sollten Bilder und Grafiken verbal beschrieben werden, um alle relevanten Informationen zugänglich zu machen.
  • PowerPoint-Folien oder andere Präsentationsunterlagen sollten den Schüler*innen vorab als Kopie oder noch besser in digitaler Form zur Verfügung gestellt werden, damit sie diese bequem an ihrem Platz betrachten können.
  • Der Schüler oder die Schülerin sollte einen möglichst nahen Platz vor der Projektionsfläche bzw. dem Bildschirm erhalten.
  • Besonders bei Videofilmen oder komplexen Darstellungen sind zusätzliche mündliche Beschreibungen notwendig, um Inhalte klar zu vermitteln.
  • Die Schrift auf Wandkarten ist aus der Entfernung oft nicht lesbar, und bei naher Betrachtung kann der Überblick schnell verloren gehen.
  • Die Arbeit mit dem Atlas ist oft besser handhabbar, bleibt jedoch auch mit Einsatz von Lupen mühsam. 
  • Farbige Vergrößerungskopien des Kartenmaterials können die Übersichtlichkeit und Lesbarkeit deutlich verbessern.
  • Markierungen mit Marker- oder Filzstiften helfen, bestimmte Punkte oder Regionen schneller zu finden.
  • Der sukzessive Aufbau von Informationen mit Overlay-Folien hat sich als besonders hilfreich erwiesen. Diese Methode ermöglicht, Details schrittweise sichtbar zu machen, ohne die Übersicht zu verlieren.
  • Karten auf Tablets oder Computern können individuell vergrößert und an die Bedürfnisse der Schüler*innen angepasst werden.
  • Online-Karten mit Highlight-Funktionen und anpassbaren Farben helfen, relevante Inhalte gezielt hervorzuheben.
  • Experimente und Versuchsanordnungen: Schüler*innen mit einer Sehbehinderung sollten die Möglichkeit haben, die Experimentanordnung aus der Nähe zu betrachten. Hierbei ist es wichtig, dass die Lehrkraft die Versuchsanordnung sowie die einzelnen Schritte der Durchführung präzise beschreibt und gegebenenfalls akustisch begleitet.
  • Modelle und Anschauungsobjekte: Bei der Arbeit mit Modellen sollten die Schüler*innen ausreichend Zeit und Gelegenheit erhalten, diese in Ruhe und aus der Nähe zu betrachten.
  • Schreib- und Zeichengeräte: Bei der Arbeit mit Stiften sollte darauf geachtet werden, dass ein sehr weicher Bleistift oder ein dünner Filzstift verwendet wird, da diese durch ihre dunklere und kontrastreichere Linienführung besser sichtbar sind. Für geometrische Zeichnungen gibt es spezielle Zirkel, die auch mit Filzstiften verwendet werden können.
  • Es sollte darauf geachtet werden, dass Lineale und Geodreiecke mit großen und gut lesbaren Zahlen ausgestattet sind. Eine zusätzliche Unterstützung kann durch das Unterlegen mit Markierungs-Klebeband oder durch direkte Markierungen mit Edding oder Konturenfarbe geschaffen werden.
  • Millimeterpapier mit verstärkten Linien kann hilfreich sein, um Orientierung und Genauigkeit zu unterstützen.
  • Bei geometrischen Zeichnungen sollte eine individuell angepasste Genauigkeitstoleranz gewährt werden, die der Art der Sehbehinderung des Schülers oder der Schülerin entspricht. 
  • Die Lehrkraft sollte sicherstellen, dass der Schüler oder die Schülerin die grundlegenden Konstruktionsprinzipien verstanden hat. Diese sind oft wichtiger als die exakte Ausführung der Zeichnung. 
  • Auf der Webseite des "Deutschen Zentrums für Lehrerbildung Mathematik: Mathe inklusiv mit PIKAS" finden sich hilfreiche Hinweise auf angepasste Lernumgebungen, die sehgeschädigten Schüler*innen den Zugang zu mathematischen Konzepten erleichtern.
  • Kinder und Jugendliche mit einer Sehbehinderung benötigen je nach Situation die gleiche bis hin zur doppelten Arbeitszeit. Gemäß dem Erlass über den „Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen bei Prüfungen und Leistungsnachweisen“ ist eine angemessene Arbeitszeitverlängerung zu gewähren. Die benötigte Zeit hängt von der Art und Qualität der Arbeitsmaterialien ab sowie davon, wie sicher die Schüler*innen die Handhabung ihrer Sehhilfen beherrschen.
  • Im Rahmen des Nachteilsausgleichs können zahlreiche Modifikationen individuell abgestimmt werden, um die Chancengleichheit zu gewährleisten. Eine umfassende Übersicht dazu finden Sie auf der ISaR-Website unter folgendem Link: 

•    (Link zu Recht)

  • Handlungsorientiertes Lernen: Praktische und handlungsorientierte Ansätze fördern das Verständnis und erleichtern Schüler*innen mit Sehbehinderung das Begreifen von Zusammenhängen.
  • Reduktion des Unterrichtsstoffs: Die Anpassung des Unterrichtsmaterials kann durch eine gezielte Reduktion auf das Wesentliche erfolgen, um Überforderung zu vermeiden.
  • Orientierung an Erlebnissen: Eine Ausrichtung des Unterrichts an aktuellen Erfahrungen und Erlebnissen der Schüler*innen ist sowohl förderlich als auch wünschenswert.
  • Zeitzugaben: Zusätzliche Zeit ist nicht nur bei Klassenarbeiten, sondern auch im Unterrichtsalltag hilfreich, um den individuellen Bedürfnissen gerecht zu werden.
  • Klare Ansprache: Schüler*innen mit einer Sehbehinderung sollten stets mit ihrem Namen angesprochen werden, da sie nonverbale Signale wie Kopfnicken oder Zeigen nicht immer wahrnehmen können.
  • Präzise Ausdrucksweise: Vermeiden Sie Wörter wie „da“ oder „dort“, wenn sie mit Zeigegesten kombiniert werden, die für Schüler*innen mit Sehbehinderung nicht erkennbar sind.
  • Perspektivenwechsel: Lehrkräfte sollten regelmäßig versuchen, die Perspektive des sehgeschädigten Kindes oder Jugendlichen einzunehmen, um mögliche Fragen oder Schwierigkeiten frühzeitig zu erkennen. Dabei sollte jedoch auf übermäßige Vermutungen verzichtet werden.
  • Körper als Bezugspunkt: Der Körper des Kindes oder Jugendlichen kann als Ausgangspunkt und Orientierungshilfe für das Lernen genutzt werden.
  • Lernfreundliche Gestaltung: Schaffen Sie Lernsituationen, die auf die Bedürfnisse von Schüler*innen mit einer Sehbehinderung abgestimmt sind, um ihnen den Zugang zu erleichtern.Flexibilität und Empathie:
  • Jede Situation erfordert eine individuelle Betrachtung und Anpassung, um das Lernen optimal zu unterstützen.

 

Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderungen haben oft bestimmte Erfahrungen noch nicht machen können. Dies betrifft beispielsweise Dinge in größerer Entfernung (wie die Spitze eines Baumes) oder sehr kleine Details (wie die Beine einer Fliege). Dieser Aspekt sollte bewusst einbezogen und durch gezielte Aktivitäten ausgeglichen werden.

  • Die Lehrperson sollte eine große Akzeptanz gegenüber sogenannten „Stereotypien“ entwickeln. Letztlich machen jede Bewegung und Handlung für denjenigen, der sie ausführt einen Sinn. Durch nahes Herangehen z. B. kann versucht werden, ein besseres Bild zu bekommen, ständiges Herumlaufen in der Gruppe kann möglicherweise dem Kind oder Jugendlichen helfen, einen Überblick über die Situation zu gewinnen.
  • Da visuelle Erarbeitung von Inhalten nicht immer möglich ist, sind sprachliche Beschreibungen und die Möglichkeit, Gegenstände direkt zu ertasten, besonders wichtig. Unterrichtsmaterial sollte möglichst konkret und „begreifbar“ gemacht werden.
  • In Fächern wie Sport, Werken, Technisches Zeichnen oder Textilarbeit, in denen die Inhalte für Schüler*innen mit Sehbehinderung nicht immer umsetzbar sind, sollten alternative Aufgaben angeboten werden. Eine generelle Befreiung von diesen Fächern widerspricht dem Ziel der inklusiven Beschulung.
  • Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderungen benötigen oft mehr Zeit, um Einzelheiten wahrzunehmen und zu verarbeiten. Unterrichts- und Arbeitsformen sollten daher flexibel angepasst werden. Dies schafft Raum für individuelle Erkundung und Verständnis.

1.2 Didaktische Hinweise bei Blindheit

  • Schülerinnen mit Blindheit benötigen einen Sitzplatz, von dem aus sie die Lehrkraft gut hören können. Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass sie nicht von ihren Mitschülerinnen isoliert werden. Der Platz sollte die soziale Integration fördern und die Teilnahme an Gruppenaktivitäten ermöglichen.
  • Für die Arbeit mit speziellen Hilfsmitteln wie Punktschriftmaschinen oder Laptops kann ein zweiter Tisch notwendig sein. Diese zusätzliche Fläche bietet ausreichend Platz für die umfangreichen Punktschriftbücher und andere Arbeitsmaterialien.
  • Ein zusätzlicher Schrank oder ein Regal sind erforderlich, um die Materialien zu verstauen. Dabei ist auf ein strukturiertes Ablagesystem zu achten, damit der Schüler oder die Schülerin eigenständig Unterrichtsmaterialien wiederfinden kann. 
  • Ein ruhiger Klassenraum, der nicht durch Verkehrsgeräusche oder andere störende Lärmquellen beeinträchtigt wird, ist wichtig. Eine möglichst störungsfreie Umgebung erleichtert die Konzentration auf akustische Informationen.
  • Für die Nutzung des Laptops ist eine Versorgung mit Strom am Sitzplatz erforderlich. Dies kann zum Beispiel auch mit leistungsstarken Power Banks erfolgen.
  • Das Tafelbild, eine Overheadfolie oder ein Smartboard-Inhalt sollte durch die Lehrkraft, Mitschüler*innen oder eine Inklusionsassistenz verbalisiert werden. Alternativ können vorbereitete Inhalte in taktiler Form, wie Punktschrift oder Reliefzeichnungen, bereitgestellt werden, falls sie nicht im Unterricht entwickelt werden.
  • Während die Lehrkraft Tafelanschriften erstellt, ist es hilfreich, diese direkt laut vorzulesen, damit die Schüler*innen mit Blindheit den Inhalt akustisch aufnehmen können.
  • Abschriften von der Tafel können durch Diktat oder Unterstützung der Inklusionsassistenz erfolgen. Alternativ kann das Tafelbild in digitaler Form bereitgestellt werden. Dies ermöglicht eine direkte und unabhängige Nutzung durch den Schüler oder die Schülerin.
  • Textvorlagen sollten entweder digital in den E-Buch-Standard oder analog in einen Punktschriftausdruck übertragen werden. Zusätzlich können sie in akustischer Form bereitgestellt werden, z. B. durch Aufsprechen auf Tonträger oder digitale Endgeräte.
  • Je nach Unterrichtsfach, Aufgabenstellung und Textumfang kann eine akustische Umsetzung ausreichend sein. Dies sollte individuell abgestimmt werden.
  • Die Bereitstellung von Textvorlagen erfordert eine deutlich längere Vorausplanung. Daher ist eine enge Abstimmung mit der Person, die die Übertragung in Brailleschrift übernimmt, notwendig.
  • Layout und Zeilenumbrüche sollten so gestaltet sein, dass Schüler*innen sich selbständig orientieren können. Ein Leitfaden zur Übertragung von Punktschrifttexten ist auf der Seite www.braille.ch verfügbar. Zur Übertragung von Word-Dokumenten eignet sich der E-Buch-Standard. Um gemeinsames Arbeiten zu ermöglichen, sollten die Seitenzahlen und Umbrüche der Schwarzschrift auch in der Punktschriftausgabe leicht auffindbar sein. 
  • Neben Hörbüchern können auch akustische Arbeitsblätter oder Podcasts eine hilfreiche Ergänzung sein. 
  • Soweit es möglich ist, sollten Realbegegnungen nicht durch Modelle bzw. Bilder ersetzt werden. Dies beinhaltet auch das Aufsuchen unterschiedlicher Lernorte.
  • Soweit möglich, sollten Realbegegnungen nicht durch Modelle oder Bilder ersetzt werden. Dies schließt das Aufsuchen von Lernorten außerhalb des Klassenzimmers ein.
  • Bevor Bilder oder Grafiken in tastbare Qualität umgesetzt werden, sollte der Informationsgehalt der Abbildung sorgfältig analysiert werden. Dabei sind folgende Fragen zu berücksichtigen:
    • Was soll die Grafik veranschaulichen? Kann diese Information sinnvoll taktil umgesetzt werden?
    • Gibt es eine einfachere Möglichkeit, die Information zu vermitteln, z. B. durch: ein "Hörbild", Beschreibungen, ein Modell, ein Artefakt, eine reale Begegnung
    • Ist die Information der Grafik bereits im Text enthalten und somit redundant?
    • Kann die Abbildung bei der taktilen Umsetzung vereinfacht werden, ohne relevante Informationen zu verlieren?
    • Wäre es sinnvoll, komplexe Informationen der Grafik auf zwei oder drei taktile Grafiken aufzuteilen?
    • Steht der Zeitaufwand für die Erstellung der Grafik in einem vertretbaren Verhältnis zu ihrem Nutzen?
  • Das Kind oder der Jugendliche mit Blindheit benutzt seine Punktschriftmaschine bzw. seine elektronischen Hilfsmittel, z. B. einen Computer mit Schwarzschrift-/Punktschrift-Tastatur.
  • Daher ist es wichtig, dass der Schüler/die Schülerin möglichst früh im PC-Umgang ohne Maus geschult wird. Dazu gehört auch das Lernen des Zehnfinger-Schreibens.
  • Bilder müssen mündlich beschrieben oder entsprechend taktil umgesetzt werden.
  • Videos/Filme müssen ebenfalls beschrieben werden, um den Inhalt zugänglich zu machen.
  • Es gibt taktile Karten, die beispielsweise über ein Medienzentrum beschafft werden können. Dabei ist zu beachten:
    • Das Betrachten einer tastbaren Karte erfordert mehr Zeit.
    • Spezielle Strategien sind notwendig, um die Karten effizient zu nutzen.
  • Um die Experimentanordnung kennenzulernen, muss der Schüler/die Schülerin den Aufbau abtasten können.
  • Es ist wichtig, den Aufbau und das Experiment detailliert zu beschreiben.
  • Ein Farberkennungsgerät kann besonders im Chemieunterricht sinnvoll eingesetzt werden.
  • Auf einer speziellen Zeichentafel kann eine Positiv-Zeichnung erstellt werden.Eine Positiv-Zeichnung ist eine taktile Darstellung, bei der mit Hilfe einer speziellen Zeichenfolie Linien und Formen erhaben dargestellt werden. In die Zeichenfläche gedrückte Stecknadeln dienen als Fixierhilfe für spezielle Lineale, Winkelmesser und Zeichendreiecke.
  • Zeichenfolie mit aufgeprägtem Koordinatengitter ermöglicht das Zeichnen von Funktionsgraphen.
  • Beim geometrischen Zeichnen sind im Sinne des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs zeichnerische Ungenauigkeiten zu tolerieren.
  • Beim geometrischen Zeichnen sind im Sinne des behinderungsbedingten Nachteilsausgleichs zeichnerische Ungenauigkeiten zu tolerieren.
  • Gemäß dem Erlass zum „Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinderungen bei Prüfungen und Leistungsnachweisen“ ist eine Verlängerung der Arbeitszeit zu gewähren. Der zeitliche Rahmen muss zu Beginn der Klassenarbeit bekannt gegeben werden, und die Prüfungsunterlagen sind in einer blindengerechten Form bereitzustellen.
  • Im Rahmen des Nachteilsausgleichs können zahlreiche individuell angepasste Modifikationen vorgenommen werden. Eine beispielhafte Übersicht dieser Anpassungen finden Sie auf der ISaR-Website unter dem Menüpunkt „Informationen“/„Recht“.
  • Grundsätzlich sollte der Einsatz des akustischen und taktilen Sinnes als fester Bestandteil des Unterrichts integriert werden.
  • Handlungsorientiertes Lernen erleichtert nicht nur Schülern und Schülerinnen mit Blindheit das Verständnis von Zusammenhängen.
  • Die Anpassung des Unterrichtsstoffs kann gegebenenfalls auch durch eine Reduktion des Stoffes erfolgen.
  • Es ist generell sinnvoll und wünschenswert, den Unterricht an aktuellen Erfahrungen und Erlebnissen der Schüler*innen auszurichten.
  • Zeitzugaben können nicht nur bei Klassenarbeiten, sondern auch im gesamten Unterricht hilfreich sein.
  • Schüler*innen mit Blindheit sollten stets mit ihrem Namen angesprochen werden, da sie nonverbale Signale (wie z. B. Kopfnicken) nicht wahrnehmen können.
  • Vermeiden Sie es, Ausdrücke wie „da“ und „dort“ in Verbindung mit Zeigegesten zu verwenden, die von Schülern mit Blindheit nicht wahrgenommen werden können.
  • Lehrkräfte sollten sich regelmäßig in die Perspektive des Schülers oder der Schülerin mit Blindheit hineinversetzen. Auf diese Weise können mögliche Fragen oder Schwierigkeiten im Vorfeld erkannt werden. Dennoch sollte vermieden werden, voreilige Vermutungen anzustellen und diese als Tatsachen anzusehen.
  • Der Körper des Schülers oder der Schülerin kann als Bezugspunkt für das Lernen genutzt werden (z. B. für Größenvergleiche o. ä.).
  • Es wird empfohlen, Situationen zu schaffen, die das Lernen für Schüler*innen mit Blindheit erleichtern, durch Strukturierung, Übersichtlichkeit, Anschaulichkeit und Zeit.
  • Wegen fehlender visueller Beobachtungsmöglichkeiten bleiben vielen Kindern und Jugendlichen mit Blindheit grundlegende Alltagserfahrungen verborgen, die für sehende Kinder bereits in der Vorschulzeit selbstverständlich sind. Bei der Begriffsbildung besteht die Gefahr, dass wichtige Konzepte (z. B. mehr – weniger, groß – klein, rechts – links) nicht mit Inhalt gefüllt sind oder aufgrund eingeschränkter Erfahrungs- und Beobachtungsmöglichkeiten (z. B. Wolken, Haus usw.) unklar bleiben.
  • Die Lehrkraft sollte eine hohe Akzeptanz gegenüber sogenannten „Stereotypien“ entwickeln. Jede Bewegung und Handlung hat für die Person, die sie ausführt, einen Sinn. Neigt ein Kind mit Blindheit beispielsweise dazu, den Kopf zu neigen oder sich während des Wartens oder Zuhörens mit dem Oberkörper auf den Tisch zu legen, könnte dies darauf hinweisen, dass ihm der visuelle Reiz fehlt. Diese Position könnte durchaus auf aufmerksames Zuhören hindeuten.
  • Kinder und Jugendliche mit Blindheit sollten die Möglichkeit erhalten, den Klassenraum und alle anderen Orte, an denen sich die Schüler*innen aufhalten (z. B. Nebenräume, Pausenhalle), zu erkunden.
  • Zu Beginn des gemeinsamen Unterrichts ist es wichtig, dass die Mitschüler*innen mit Namen genannt werden bzw. sich selbst vorstellen. Dies erleichtert es dem Schüler oder der Schülerin mit Blindheit, die Personen zu erkennen.
  • Eine regelmäßige Erkundung der mit Bildern und anderen Kunstwerken geschmückten Wände des Klassenraums sollte ermöglicht werden.
  • In Fächern oder Bereichen, in denen die Teilnahme aufgrund bestimmter Inhalte nicht immer vollständig möglich ist (z. B. Sport, Werken, Technisches Zeichnen, Textilarbeit), sollten innerhalb dieser Bereiche alternative Möglichkeiten angeboten werden. Eine Befreiung von einzelnen Fächern entspricht nicht dem Konzept der inklusiven Beschulung.